Reading Time: < 1 minute

Weniger fahren und doch mehr zahlen?

28. April 2021

Viele geleaste Firmenwagen bleiben wegen Corona-Homeoffice weit unter den vereinbarten Kilometerlimits. Das spart zwar Benzin und Reifengummi, verteuert aber de facto die Leasingrate. Fuhrparks suchen nach Alternativen.

Von Manfred Godeck

Durchschnittlich 33 000 Kilometer pro Jahr tourten Firmen-Pkw bis 2019 noch über die Straßen – in der Spitze waren es schon mal 150 000. Mit der Pandemie und den verschiedenen Lockdowns endete auch an vielen Stellen die Vielfahrerei. Dienstreisen, Treffen mit Kolleginnen und Kollegen an anderen Standorten, Messebesuche oder Meetings beim Kunden fielen aus. „Wir sehen derzeit bei unseren Kunden sogar Fälle von 50 000 bis 100 000 Minderkilometern wenige Monate vor Vertragsende“, so Ilona Janssen, Senior Partnerin bei Expense Reduction Analysts, einer Beratungsgesellschaft für Kostenmanagement.

Mehrkilometer sind dreimal wertvoller als Minderkilometer.

Nun schauen viele Leasingnehmer in das Kleingedruckte ihrer Leasingverträge und sind zumindest überrascht, wenn nicht sogar befremdet. Zwar gibt es für die weniger als vereinbart gefahrenen Kilometer Geld zurück. Allerdings bevorzugen die Bedingungen bei den Rückerstattungen häufig den Leasinggeber. „Abzüglich einer üblichen Toleranz von 2500 Kilometern werden in der Regel nur maximal 7500 Kilometer erstattet. Bei Mehrkilometern gibt es nach oben keine Grenze“, sagt Beraterin Janssen. Hinzu kommt, dass für Minderkilometer oft nur ein Bruchteil von dem gutgeschrieben wird, was für Mehrkilometer nachgezahlt werden müsste. Ein Verhältnis von etwa 1:3 ist am weitesten verbreitet.

Folglich erhöht sich mit der Endabrechnung auch die Leasingrate für jeden tatsächlich gefahrenen Kilometer. Experten kritisieren dies schon seit langem. Der Wertverlust pro Mehrkilometer weiche nicht in so starkem Maße vom Wertgewinn pro Minderkilometer ab. „Einen niedrigeren Satz sollten Sie nicht akzeptieren“, so der ADAC. Leider haben das viele jedoch guten Gewissens getan. Schließlich wurden bis vor einem Jahr Geschäftswagen meist noch verlässlich bis ans Limit gefahren wurden. Leasingnehmer wären deshalb gut beraten, bereits bei Vertragsabschluss auf die Möglichkeit einer Rekalkulation, einer Neuberechnung, zu achten.

Dabei wird der Vertrag so geändert, als wäre er beispielsweise für 100 000 statt 150 000 für Kilometer Laufleistung abgeschlossen worden. Abzüglich einer Bearbeitungsgebühr wird die Erstattung dann auf die Leasingraten der Restlaufzeit angerechnet. Einige Leasingfirmen bieten eine regelmäßige Anpassung an. Dann reduziert oder erhöht sich die Leasingrate, allerdings nicht das Ungleichgewicht. „Flottenverträge müssten diesen Punkt klar und fair regeln; sonst fällt der Vorteil eher mager aus“, so Kostenmanagerin Janssen.

Gegen Verträge, die nicht rekalkuliert werden können und deren Minderkilometer ungünstig abgerechnet werden, ist wohl nichts zu machen. Auf eine Störung der Geschäftsgrundlage durch Corona nach Paragraph 313 BGB werde sich ein Leasingnehmer voraussichtlich nicht berufen können, so die Juristen des ADAC. Nach vorherrschender Rechtslage ist es das Risiko des Leasingnehmers, wenn er das geleaste Fahrzeug nicht in dem Umfang nutzen kann, wie es ursprünglich von ihm vorgesehen war. Bei Kilometerverträgen gibt es nach einer aktuellen Entscheidung des Bundesgerichtshofs nicht einmal ein gesetzliches Widerrufsrecht (VIII ZR 36/20).

Laut der Marktforschungsgesellschaft Dataforce sind im ersten Pandemiejahr die Leasingquoten bei Flotten ab 100 Pkw im Bestand um fast 5 Prozentpunkte gesunken. Rund 22 Prozent der Unternehmen wollen in zukünftigen Leasingverträgen die Laufleistung reduzieren. Dann könnten allerdings eventuelle Mehrkilometer zum Bumerang werden. Es ist keine neue Erkenntnis, dass Geschäftsverläufe immer häufiger auch nichtviralen Schwankungen unterliegen und damit auch die Mobilitätsbedarfe in Produktion, Vertrieb und Logistik. Somit wächst der Wunsch nach flexiblen Lösungen, bei denen Laufzeiten und -leistungen nicht wie in Stein gemeißelt sind.

In diese Kategorie fallen sogenannte „offene“ Leasing-Vertragsmodelle. Bei diesen nutzt der Leasingnehmer im Gegensatz zu den üblichen „geschlossenen“ Verträgen mit limitierter Laufzeit und -leistung einen Pkw oder Transporter so viel, so wenig und so lange, wie er ihn benötigt. Die Leasingrate deckt ähnlich einem Darlehensvertrag den reinen Finanzierungsaufwand ab; die Endabrechnung erfolgt nach dem Wiederverkaufserlös. „Der Shutdown führt Unternehmen auf das wirklich Notwendige zurück und lässt den Grundgedanken des Leasings wiederaufleben: nur für das zu zahlen, was man tatsächlich nutzt“, so Majk Strika, Geschäftsführer des Fuhrparkmanagers ARI Fleet Germany. Bei geschlossenen Verträgen basiere die effektiv gezahlte Rate dagegen auf einem kalkulatorischen Restwert, verschiedenen Gebühren und festlegten Limits. Jede Änderung entfalte eine Kostendynamik.

Ein Rechenbeispiel verdeutlicht dies eindrucksvoll. Einmal angenommen, die monatliche Rate eines Leasingvertrags liegt bei 500 Euro, und für die Laufzeit von 36 Monaten wurde eine Laufleistung von 120 000 Kilometern vereinbart. Der Mehrkilometer kostet 12 Cent, und jeder Minderkilometer wird mit 4 Cent Euro vergütet. Die Deckelung liegt bei 7500 Kilometer. Hat das Auto am Ende 140 000 auf dem Tacho, wurden also 20 000 mehr als vereinbart gefahren, werden 2400 Euro nachberechnet – die Leasingrate beträgt dann 14,5 Cent je Kilometer. Demgegenüber werden bei 20 000 Minderkilometern nur 300 Euro erstattet, die Leasingrate pro Kilometer beträgt 22,1 Cent. Mehr noch: Stellt man ein nicht benötigtes Fahrzeug einfach in die Garage, hat man am Ende 17 700 Euro bezahlt und gibt der Leasingfirma ein fast nagelneues Auto zurück. Bei einem Full-Service-Leasing könnte man wenigstens die Dienstleistungsanteile kündigen, soweit der Vertrag dies zulässt.

Große Fuhrparks können vielleicht auf Kulanz hoffen.

Der ADAC rät: „Man sollte stets versuchen, gemeinsam mit dem Leasinggeber eine Vertragsanpassung vorzunehmen. Es ist zu vermuten, dass manche Leasinggeber darauf eingehen werden, allein um ihre Kunden zu behalten.“ Große Fuhrparks mit mehreren hundert Fahrzeugen können womöglich auf Kulanz hoffen, jedenfalls eher als Selbständige. Darauf wetten würde wohl niemand.

Ein Auto zu kaufen und danach vielleicht einen Kredit abstottern zu müssen – das gilt immer noch als Los der kleinen Leute. Der clevere Unternehmer dagegen nutzt das Leasing mit günstigen Raten und Services speziell für Vielfahrer. In der Pandemie geht die Rechnung für viele plötzlich nicht mehr auf. Nun sind Lösungen gefragt, die die „intelligente Alternative zum Kauf“ noch ein Stück intelligenter machen.

 

© Alle Rechte vorbehalten. Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt. Zur Verfügung gestellt vom Frankfurter Allgemeine Archiv.

Neuigkeiten


Verwandte Ressourcen

Weitere Nachrichten, Einblicke und Entwicklungen aus der Branche.

Verwandte Beiträge